Dr. med. Elisabeth Jacobi-Gresser

Welche Rolle spielen Leitlinien für die DEGUZ und die Praxis?

Leitlinien (guidelines) sind systematisch durch ein Expertengremium erarbeitete Aussagen zu einem speziellen klinischen Thema, die zur leichteren Entscheidungsfindung in der Medizin beitragen sollen. Leitlinien haben Empfehlungscharakter und dienen als Entscheidungshilfe; sie sind im Gegensatz zu Richtlinien rechtlich nicht verbindlich. Die Prüfung auf Anwendbarkeit in einem individuellen spezifischen Fall obliegt dem ärztlichen Behandler.

Die Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche medizinische Fachgesellschaften (AWMF) hat sich 1992 als leitendes Forum in der Leitlinienentwicklung mit dem Ziel der Qualitätsverbesserung in der klinischen Forschung und Praxis etabliert. Bei einer S3-Leitlinie handelt es sich im Gegensatz zu der S1- und S2-Klassifikation um   einen grundsätzlich evidenzbasierten systematischen Entwicklungsprozess mit Beurteilung  der Qualität der zugrundeliegenden Evidenz (Evidenzgrad). Es handelt sich hierbei um die höchste Qualitätsstufe der Entwicklungsmethodik. Im Rahmen einer strukturierten Konsensfindung werden Empfehlungen der Arbeitsgruppen unter neutraler Moderation der AWMF im repräsentativen Gremium aus Mandatsträgern/Vorstandsmitgliedern aller beteiligten Fach-   gesellschaften und Organisationen diskutiert und verabschiedet. Im Leitlinien-Report ist eine Beschreibung zum methodischen Vorgehen hinterlegt. Erstmalig wurde auf der Leitlinienkonferenz im September 2022 unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Implantologie im Zahn-, Mund- und Kieferbereich (DGI) das Arbeitsthema „Titanunverträglichkeit“ in der oralen Implantologie diskutiert, konsentiert und in einer S3-Leitlinie formuliert. Mit dieser wichtigen Thematik befasste sich der umweltzahnmedizinische Arbeitskreis bereitsseit 2006. Die 2012 publizierte retrospektive klinische Studie der DEGUZ, Genetic and  immunological markers predict titanium implant failure: a retrospective study. Jacobi-Gresser E, Huesker K, Schütt, S. International Journal of oral and maxillofacial surgery, 2012, wurde  im Recherche- und Auswahlprozess berücksichtigt. Die vielfach bestätigenden Tierstudien in der präklinischen Forschung besitzen im Leitlinienprozess keine Relevanz und können daher zur Evidenz nicht beitragen.