Dr. rer. nat. Anne Schönbrunn 

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Was ist das Mastzellaktivierungssyndrom und welche Rolle spielt es in der Zahnmedizin?

Mastzellen, als Teil des unspezifischen Immunsystems, sind in zahlreichen Geweben des Körpers vorhanden und überwachen insbesondere die Kontaktstellen zur Umwelt wie Haut, Schleimhaut, Luftwege und Magen-Darm-Trakt. Sie sind aufgrund der großen Vielfalt an Oberflächenrezeptoren durch verschiedene immunologische und nicht-immunologische Reize aktivierbar, was zu Degranulation und Synthese vieler entzündlicher und immunmodulatorischer Botenstoffe führt. Dies erklärt nicht nur ihre prominente Rolle bei der Typ-I-Allergie, sondern auch in verschiedenen physiologischen und pathologischen Prozessen wie Blutdruckregulation, Wundheilung, Darmmotilität, Angiogenese sowie Schmerz- und Stressregulation.

Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) beschreibt eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen Symptome durch übermäßige Freisetzung von vorwiegend proinflammatorischen Mastzellmediatoren ausgelöst werden. Es können vielfältige, teils variable Symptome auftreten, die verschiedene Organe bis hin zur systemischen Anaphylaxie betreffen können. Es werden zwei Hauptformen von Mastzellerkrankungen unterschieden: primäres MCAS (klonal), basierend auf aktivierenden KIT-Mutationen, und sekundäres MCAS (reaktiv), bei dem die Anzahl der Mastzellen normal ist, aber ihre Aktivierbarkeit abnormal erhöht ist.

Patient:innen mit einer Mastzell-assoziierten Erkrankung stellen Behandler auch im zahnmedizinischen Bereich vor Herausforderungen, da eine erhöhte und/oder andauernde Mastzellaktivität schädigende Entzündungen auch im Mund-Kieferbereich fördert. Diese kann mit fortschreitendem Verlust von Zahnfleisch und Parodontalgewebe einhergehen und so z.B. zu Gingivitis oder Parodontitis beitragen, sowie ungünstig auf die allgemeine Wundheilung wirken. Zusätzlich bergen überreaktive Mastzellen das Risiko auf anaphylaktoide Reaktionen bei operativen Eingriffen und Medikation.

Ein wichtiger Baustein zur Diagnose des MCAS ist der Nachweis pathologisch gesteigerter Mastzellmediatoren durch Labordiagnostik. Die Labordiagnostik unterteilt sich dabei in den Nachweis der Mastzellaktivierung an sich und die Identifikation des Auslösers. Dentale Werkstoffe, wie Metalle und Acrylate, stellen hier z.B. eine wichtige Reizquelle für Mastzellen dar und können durch Verschlucken sogar im Darm-ansässige Mastzellen aktivieren. Die Diagnose eines Mastzell-assoziierten Geschehens erfordert Ursachenforschung für mögliche therapeutische Ansatzpunkte.